Tarifa ist der beste Ort, den ich kenne, um ins Neue Jahr zu kiten. Es ist warm, meist windig, die paar Touristen versammeln sich jeden Abend in den drei geöffneten Bars und Silvester rockt die ganze Stadt bis morgens um 6 Uhr ins Neue Jahr. Was braucht es mehr?
Tarifa als Erlebnisziel an der Südspitze Europas
Aber das schönste daran, die Zeit zwischen den Jahren in Tarifa zu verbringen, ist die Wärme. Kaum fällt man aus dem Flugzeug, das einen in nur 4 Stunden aus dem nasskalten Deutschland an den südlichsten Zipfel des europäischen Festlandes gebracht hat, lacht das Herz über die südspanische Sonne. Vio hat ein Auto reserviert. Am Autovermietungsschalter drückt uns der Angestellte den Schlüssel für den auf der Website als geräumig beschriebenen Renault Kangoo in die Hand. Gleich nachdem wir auf drei verschiedenen Formularen unterschrieben haben, dass wir mit einem Vermögen haften, sollte sich auch nur ein Kratzer im Wagen bei Rückgabe befinden. Nachdem wir unsere Sachen reingeklemmt haben und ich gerade noch auf die Rückbank passe, fällt mir ein, dass wir ja noch Anna am Flughafen abholen.
„Ich glaub, wir müssen Anna und ihr Gepäck aufs Dach schnallen, machen die in Afrika doch auch immer so und so weit ist Afrika ja nicht weg“ bedenke ich unsere Raumsituation.
Nachdem die anderen beiden kurz abwägen mich aufs Dach zu schnallen, laden wir Anna am Flughafen ein und schaffen es trotz drei Kitebags, 3 Koffern, 4 Handgepäckstücken und vier Personen die Türen zu schließen. Platz ist ja bekanntlich in der kleinsten Hütte, daher laden wir an der nächsten Tankstelle noch ne Palette Bier zu.
Die Landschaft zeigt sich auf der 2-stündigen Fahrt von Malaga Flughafen nach Tarifa von seiner besten Seite und gibt den Blick frei auf das Mittelmeer. In der Ferne schimmert die Küste Afrikas. Es ist immer wieder schön die Küste entlang zu fahren, voller Vorfreude auf Tarifa und seine Strände.
Marokko ist nicht weit. Nur einen Katzensprung entfernt. An einem Tag kann man rüber nach Tanger und dort Marokko light erleben. Gibraltar bietet an nowind Tagen ein perfektes Ausflugsziel und zur Not kann man sich die Zeit noch mit Biken, Reiten, Klettern und Wandern vertreiben. Hauptsache raus aus dem nasskalten Schmuddelwetter, was wir im Rheinland Winter nennen.
Tarifa – das Kitemekka mal von seiner ruhigen Seite erleben
Während also zuhause die Nachbarn und Familienangehörigen noch die Ente von Weihnachten verdauen, stehen wir am Strand von Valdevaqueros und bauen unsere Kites auf. Im Gegensatz zum Sommer befinden sich nur eine Handvoll Kiter am Strand. Es heißt im Sommer könne man hier nicht mehr treten und auf dem Wasser fahren sich alle über den Haufen, weil niemand aber auch wirklich niemand sich an die Vorfahrtsregeln hält. Mir ist es völlig unverständlich, wie man sich bei 35 Grad im Schatten – morgens um 8 Uhr – überhaupt hier aufhalten kann, aber naja, jeder wie er will.
Die Sonne scheint angenehm vom blauen Himmel und im Windschatten hinter dem Gebüsch sonnen sich einige Kite-Begleitungen in Badekleidung. Es ist ein herrlicher Tag mit Wind und Sonne und gemeinsamen Zeit auf dem Wasser, die einfach großen Spaß macht. Und während wir uns in der gemeinsamen Kitepause hinter dem Gebüsch im Windschatten die Sonne auf die Haut scheinen lassen, freundet Andreas sich mit dem Hund der Nachbarn an.
Der Hund gehört Marbod und seiner Frau. Sie sind für zwei Wochen mit dem Auto von Deutschland nach Tarifa angereist. „Das ist gar nicht so wild,“ meint Marbod, „wir wechseln uns ab, dann ist man ruckzuck da.“ Wir verabreden uns für abends in unserem Stamm-Restaurant, der Enoteca. Dort werfen sie frisches Fleisch auf die offene Flamme und servieren spanischen Wein. Direkt daneben befindet sich das berühmte Taco Ways. An dieser Bar führt kein Weg vorbei. Jeden Abend treffen sich vorwiegend Deutsche vor der Bar und trinken die selbstgemachten Cocktails des Barkeepers, dessen Haare verdächtig viel Ähnlichkeit mit denen von Tingeltangel-Bob hat. Wir treffen Bekannte vor dem Taco Ways, die wir letztes Jahr kennengelernt haben. Wir verabreden uns gleich für das nächste Silvester.
Wohnen in Tarifa
Unser Apartment liegt dieses Mal in der Altstadt. Letztes Mal hatten wir ein Apartment hinten auf dem Berg. Befreundete Auswanderer haben dort auf dem Berg ein Grundstück gekauft und das sich darauf befindliche Haus restauriert. In Tarifa darf nichts neu gebaut werden. Die einzige Chance die man hat, ist eine runtergekommene Hütte zu kaufen und diese neu aufzubauen. Dabei muss jedoch der Grundriss eingehalten werden. Da die Nachfrage so groß ist und alle hoffen, dass die spanische Bürokratie nicht hinschaut, befinden sich überall in der Gegend Häuser, die ohne Genehmigung gebaut sind. In regelmäßigen Abständen rückt der Abrissbagger an und reißt die illegalen Häuser ab.
Fährt man den Berg hoch, muss man darauf hoffen, dass die dort freilaufenden Kühe und Pferde nicht auf der Straße rumstehen. Besonders lustig ist es, wenn man den 6:50 Uhr Ryanair-Flug kriegen will und es die auf dem Weg schlafenden Kühe morgens um 2 Uhr trotz wildem Gehube irgendwie nicht einsehen aus dem Weg zu gehen. Das einzige was da hilft, ist auszusteigen und wild schreiend auf die Kühe zuzurennen.
Parken in Tarifa
Die Parksituation in Tarifa ist nicht so schlecht wie erwartet. Um die Altstadt herum gibt es eine Menge kostenlose Parkplätze, aber es gibt halt auch eine Menge Autos. Nach dem wir rückwärts in die Einbahnstraße reinfahren, um das Kitematerial und die Einkäufe auszuladen, begebe ich mich auf Parkplatzsuche. In einer Seitenstraße finde ich einen Parkplatz und freue mich. Als ich am nächsten Nachmittag das Auto holen will, ist die gesamte Straße wie leer gefegt. Ich entdecke ein Schild, auf dem steht, dass dienstags immer Markt ist. Im Urlaub vergisst man ja schnell welcher Wochentag es ist. Heute ist Dienstag. Sandra berichtet, dass ihr das auch schon passiert ist und sie neben der Auslösesumme noch eine Strafgebühr von 60 Euro zahlen musste. Außerdem weiss sie, wo man sein Auto abholen muss. Abends ziehe ich in Verstärkung mit drei Jungs los. Die Auslösestelle ist besetzt mit einem sehr jungen Polizisten, der sehr viel Verständnis dafür hat, das MEIN Auto abgeschleppt wurde. Und siehe da, der Frauen-am-Steuer-Faktor hilft mir um die Strafgebühr von 60 Euro herum. Oder die drei Männer, die ruhig im Raum rumstehen. Wer weiß das schon. Ich darf mein Auto vom Hof fahren und parke wieder in der gleichen Straße. Morgen ist ja kein Markt. Sandra ist empört, als sie hört, dass ich keine Strafe bezahlen musste. Hätte sie mal auch drei Männer mitgenommen…
Die Küste entlang
Am nächsten Tag ist der Wind zu stark und zu böig, um in Valdevaqueros mit weniger als 95 Kilo auf den Rippen zu können. Wir fahren nach Canos de Meca. Eine Stunde entfernt die Küste hoch, bläst der Wind zumeist 5 Knoten weniger. Während der sich in Valdevaqueros über den Berg kämpfen muss, hat er sich in Canos beruhigt. Bis er hier ist, hat er ein gutes Stück übers Meer zurück gelegt. Der Wind kommt als Levante durch die Meerenge von Gibraltar, dreht sich dann ein und strömt an der Küste entlang Richtung Norden. In Canos geht keiner verloren, da die Bucht abtreibende Kiter einfängt. Leider befinden sich am Ende der Bucht dicke Felsen. Doch bei der Abtriebsrate in unserer Gruppe ist es schon ganz gut, wenn der abtreibende Kiter nicht in Amerika rauskommt.
Springflut
Nach einem Tag Windpause, dreht der Wind nun auf Poniente, d.h. der Wind kommt von westlicher Richtung und bläst auflandig auf die Costa de la Luz. Der Wind schaukelt die Wellen auf und dank des Vollmonds springt die Flut über den Strand und lässt die Lagune voll laufen. Es ist zwar verboten in der Lagune zu kiten, aber spiegelglattes, stehtiefes Wasser lässt sich hier wohl kaum einer entgehen. Die Umweltschützer finden das gar nicht so witzig und ließen Pfähle in die Lagune rammen. In alter spanischer Manier rückten ein paar mutige Freiheitskämpfer aus und sägten bei einer Nacht-und-Nebel-Aktion jeden zweiten Pfahl ab. Jetzt gleiten die besonders mutigen Kiter zwischen den Pfählen hindurch und nutzen so die ganze Länge der Lagune zum Kiten.
Silvester in Tarifa – Party all night long
Tarifa ist der beste Ort, um Silvester zu feiern. Ist die Partyzone vor der Kirche noch kurz vor 12 Uhr Mitternacht wie leer gefegt, tummeln sich pünktlich um 12 Uhr eine große Partymenge in der Altstadtstraße. Wir mittendrin, werden wir von Anna gebrieft, wie wir die 12 Trauben, die wir in unserer Hand halten zu uns zu nehmen haben.
„Schluckt eine Traube auf jeden Glockenschlag. Sonst habt ihr 1 Jahr lang Pech.“
Ob jetzt generell in meinem Leben oder nur in der Liebe – Wer weiß das schon. Aber habt ihr mal versucht in 12 Sekunden 12 Trauben zu essen? Wer das schafft, dem stehen auf jeden Fall 12 Monate Glück zu – oder jedenfalls kein Pech, und erst recht nicht in der Liebe. Wir schlucken fleißig unsere Trauben auf das Kommando des Moderators, der die Zahlen in die Menge schreit. Die Kirchturmuhr ist anscheinend kaputt oder man hat es nicht geschafft, diese für diesen besonderen Einsatz einzuschalten, vielleicht zu wenig Vorbereitungszeit? Danach beginnt die Musik. Am Straßenrand wurden Buden aufgebaut und verkaufen Cocktails. Freundescliquen, Familien mit kleinen Kindern und Paare feiern bis in die frühen Morgenstunden. Dem neuen Jahr wird ordentlich eingeheizt. Die Altstadt ist zur Partyzone geworden.
Kiten an Neujahr
Es gibt nichts schöneres als das Neujahr in Tarifa am Strand zu starten. Entweder auf dem Wasser oder, wenn die Partynacht zu feucht-fröhlich war, in einer der drei Strandbars. So sitzen wir gemütlich in der Sonne in der Strandbar und genießen den Blick aufs Meer.