1250 km liegen vor uns. Einmal von Köln nach San Pere Pescador an die Costa Brava. Die Bucht von Roses ist ein beliebtes Zwischenziel auf dem Weg nach Tarifa. Von dort sind es also nochmal 1250 km bis zum Kitemekka Europas. Uns reichen jedoch zwei Tage Anreise.

„Fahrt bloß nicht über die Schweiz, das dauert tausend Jahre und ist total kurvig, da kotzt dir dein Kind auf dem Rücksitz alles voll“

warnte mich meine Osteopathin, während sie mir mein Knie einrenkte, dass ich mir bei meiner letzten Kitesession verdreht hatte. Gesagt, getan.

Einmal von Köln nach San Pere Pescador bitte!

So sind wir also auf dem Weg nach Spanien und fahren über Mülhausen. Der Wohnwagen ist angekoppelt, die Kinder auf dem Rücksitz mit elektronischen Geräten und zwei Powerbanks ruhiggestellt. Unterwegs treffen wir Freunde, die ebenso auf dem Weg zu dem Kitecamp Kite & Fun for Friends sind, dass unser ehemaliger Campingplatz-Nachbar vor Ort organisiert.

La vivre et belle in Frankreich

In Tournon-sur-Rhône quetschen wir uns mit dem Wohnwagen im Schlepptau durch die Innenstadt, um auf einem kleinen Campingplatz Zwischenhalt zu machen. Der Platz liegt direkt im Ort neben einer Kirmes, ganz idyllisch an der Rhône. Der Blick beim Frühstück wäre phantastisch, läge da nicht ein großes Reiseschiff vor unserer Nase. Nachdem die freundliche Reiseleiterin morgens um neun Uhr durch den Lautsprecher in 3 verschiedenen Sprachen das Tagesprogramm für die Rentner erklärt hat, die sich in Gruppen vom Schiff schieben, wissen wir, dass wir uns warm anziehen müssten, sollten wir den Tagestrip auf den Berg wählen, um von der Burg einen wundervollen Blick über die Rhône zu genießen. Fröhlich grüßen wir die Passanten noch im Schlafanzug über den Gartenzaun und futtern französische Croissants vor unserem Wohnwagen.

Es geht weiter nach San Pere Pescador

Nach 850km und zwölf Stunden Fahrt, inklusive Pausen, am Vortag, erscheinen uns die verbleibenden 450 km wie ein Klacks.  Die Powerbanks wurden über Nacht geladen und die Straßen sind frei. Hinter Montpellier erhaschen wir ab und zu einen Blick auf das Mittelmeer. Draußen sind angenehme 20 Grad. Die Seen von Leucate und Sête sind gute Kitegebiete, doch als wir vorbeifahren, ist kein Wind. Der Mistral bläst zwischen dem Zentralmassiv und den Pyrenäen von Nordwest und beschleunigt sich zwischen den Gebirgen wie in einem Windkanal. Es heißt, da ginge nur ein 5er Kite, mit größeren Schirmen bräuchte man da gar nicht ankommen. Freunde berichten uns später per Whatsapp, dass sie in Leucate gut mit einem 7er fahren konnten, in der Zeit, in der wir uns in der Bucht von Roses beinahe jeden Nachmittag über thermischen Wind freuen und die großen Matten rausholen. Von der spanischen Grenze ist es nur noch eine Stunde Fahrt bis wir abends auf den Campingplatz La Gaviota ankommen. Eine große Gruppe von Camp- TeilnehmerInnen sitzt schon beim Grillen und erholt sich von der langen Anreise.

Am nächsten Morgen muss ich zu allererst ans Meer. Die Kinder springen aufgeregt durch den Sand. Seit letzten Herbst in Holland haben sie keinen Strand mehr gesehen. Bei unserem Strandspaziergang in der morgendlichen Sonne sehen wir immer wieder Treibholz. Perfekt für ein Lagerfeuer….. oder zwei oder drei. Am Ende der zwei Wochen haben wir fast jeden zweiten Abend Lagerfeuer gemacht. „Was haben wir eigentlich noch gemacht?“ fragt mich ein Freund, als wir wieder zuhause sind, „Kiten, Grillen, Lagerfeuer, die ganze Nacht mit jemand anderem durchquatschen, um am nächsten Nachmittag wieder auf dem Brett zu stehen… hätten wir nicht mehr unternehmen müssen? Ein paar Ansichtskarten kaufen? Das kann ich doch meiner Verwandtschaft zuhause gar nicht erzählen!“ „Doch,“ sag ich zu ihm, „weil das genau das ist, was wir unter einem perfekten Kiteurlaub verstehen.“

Kiten in der Bucht von Roses

Und gleich am ersten Nachmittag kommt der Wind. Der Campingplatz liegt direkt am Strand, also springen wir in unsere Neos, packen uns das Kitematerial auf den Rücken und zuckeln los zum Strand. Der Wind in der Bucht von Roses ist berechenbar. Sind die schneebedeckten Berge am Horizont morgens klar zu sehen und der Himmel ist wolkenlos, so kommt die Thermik am Nachmittag und bringt schräg auflandigen Wind, der gut mit großen Schirmen und Matten zu fahren ist. Manchmal kommt jedoch der Nordwind aus den Bergen – Trami genannt – und es ist bis zum Nachmittag nicht klar, ob sich die beiden Winde aufheben oder einer gewinnt. Der Nordwind kommt sideoff und schaukelt das Meer zu 1,5 Meter hohen Wellen auf, die lange über den flachen Meeresboden auf den Strand zulaufen.

 

Da unser Nachbar und Camporganisator zwei Anhänger voll mit Testmaterial zum Camp mitgeschleppt hat, probieren wir alle möglichen Tube-Kites und Matten aus. Da ich bis jetzt nur drei Kitemarken kenne, die ein ähnliches Flugverhalten aufweisen und man normalerweise mit eigenem Material vielleicht mal den Schirm von einem Freund fliegt, ist es eine interessante Erfahrung für mich, wie unterschiedlich sich Kites fliegen. Sogar zwei Teamrider von Liquid Force sind da und geben ihr mitgebrachtes Material zum Testen raus.

 

Freizeitgestaltung

Nach zwei durchgefeierten Nächten führen wir die Eine-Nacht-Party-und-eine-Nacht-Keine-Party-Regel ein. Wir gehen deswegen nicht früher ins Bett, aber trotzdem sind wir fitter. Die Kinder haben sich eingelebt. Sie haben neue Freunde gefunden und verschwinden kurz nach dem Aufstehen in irgendeinem anderen Wohnmobil, an den Strand oder in irgendeinem Baum. Ich muss aufpassen, dass ich sie erwische, um auf ihnen noch schnell Sonnencreme zu verteilen und eine Kappe aufzusetzen. Die Sonne brennt viel zu stark vom Himmel für unsere blasse, mitteleuropäische Winterhaut.

Barcelona ist nicht weit

In der zweiten Woche machen einen Ausflug nach Barcelona. Die Stadt habe ich das letzte Mal vor 13 Jahren besucht und musste damals mit meiner Reisebegleitung durch sämtliche Läden laufen. „Du hattest mal ne Freundin, die mit dir einkaufen gehen wollte,“ fragen mich meine Kinder ungläubig und ich kann nur mit den Schultern zucken. Wir waren ja alle mal jung und unbedarft.

Das Navi lotst uns zu einem Parkhaus in der Nähe der Sagrada Família. Das Parkhaus stellt sich als Parkgarage raus und es gibt nur noch einen freien Platz. Wie mein Mann es schafft dort einzuparken, ohne sich den Lack zu ruinieren, ist ein Wunder. Selbst der Parkwächter ist erstaunt und winkt ab.

Kaum um die Ecke gelaufen, stehen wir vor der Sagrada Família. Die Kirche wurde von Antoni Gaudí entworfen, so wie fast die halbe Stadt Gaudís Handschrift trägt. Sie ist noch nicht fertig, die Touren für den Tag jedoch schon ausverkauft. Barcelona ist eine tolle Stadt und hat eine unglaubliche Atmosphäre, die mich wieder in ihren Bann zieht.

 

Wir brauchen drei Stunden, um von der Sagrada Família bis zum Hafen zu laufen und durchqueren auf unserem Weg die verschiedenen Stadtteile Barcelonas. Zurück bringt uns die Metro und wir fahren erschöpft aber glücklich zurück nach San Pere Pescador.

Zum Must-do-Programm in Spanien gehört Paella Essen

Da das Essen auf unserem Campingplatz nicht die besten Noten von unseren Mitreisenden bekommt, laufen wir am letzten Abend die 500 Meter bis zum nächsten Campingplatz und bestellen Paella mit Muscheln, Garnelen und Kaninchenfleisch.

Alle sind ein wenig traurig, aufbrechen zu müssen, doch die zwei Wochen sind um und die Heimat ruft. Nach zwei Tagen und 1250km Rücktour kommen wir müde, aber glücklich und voller schöner Erinnerung wieder zuhause an. Ostern liegt nächstes Jahr wieder recht spät, so dass sich die Temperaturen soweit gehoben haben, dass mit Thermik zu rechnen ist… Und Spanien ist immer eine Reise wert.