Wieder stehe ich vor meinen Kiteboards und weiß nicht welches ich nehmen soll. Zur Auswahl stehen eine Door und ein Kiteboard extra für die Welle. Welle gibt’s hier im Ijsselmeer nicht, jedenfalls keine, die man Welle nennen kann.
„Wenn du den großen Kite nimmst, dann nimm mal lieber ein kleineres Kiteboard, sonst kriegst du die Kante nicht gedrückt“
höre ich hinter mir einen Freund, der schon in seinem Neo steckt und gerade damit beschäftigt ist drei Kites und zwei Kiteboard an sich festzuschnallen. Der Weg zum Strand ist weit – etwa 450 Meter – und der Wind könnte sich jederzeit ändern. Der Albtraum eines jeden Kiters ist es, zum Wind nicht das passende Material dabei zu haben. Denn der Wind ist eine Bitch. Kaum hat man sein Material parat und abflugbereit, verabschiedet sich der Wind für mindestens 1 Stunde, wenn nicht für den Rest des Tages. Während der Kiter dann abends traurig mit seinem Bier am Grill sitzt, muss er sich dann den ganzen Abend Geschichten darüber anhören, was für eine geile Session diejenigen hatten, die nicht so dumm waren das falsche Material mit an den Strand zu nehmen.
Die Qual der Wahl
Während mein Freund bepackt wie ein Maulesel zum Strand loszieht, entscheide ich mich dafür meine Door mitzunehmen. Viel hilft viel, denke ich mir und nehme mein Kiteboard und meinen 10er Kite. Gerade eben am Strand waren es 16 Knoten und mit meinen 65 Kg wird das dann schon passen. Unterwegs treffe ich einen Bekannten, der gerade am Strand war, um nach dem Wind zu schauen.
Hast du nicht noch ein größeres Kiteboard dabei? Was willst du denn damit?
fragt er mich verständnislos. „Es ist das größte, dass ich hab“, entgegne ich und „viel hilft viel“. Ein wenig verunsichert hat er mich jetzt doch, aber ich bin schon 200 Meter von den 450 Meter gelaufen. Da lohnt sich das Umdrehen nicht mehr, denke ich und zuckel weiter zum Strand. Am Strand angekommen, werfe ich das Material von mir und setz mich erstmal in den Sand. Auf dem Weg hat der Wind mir die ganze Zeit das Kiterboard weggedrückt. Der nächste Schlaumeier kommt an:
Also das Kiteboard ist irgendwie…wieso hast DU so ein großes Kiteboard?!
Tja, warum hab ich so ein großes Kiteboard?! Weil ich vor drei Jahren genau an dem gleichen Spot beinahe verzweifelt wäre, weil ich es nicht geschafft habe Höhe zu fahren. Meine Kitelerlebnisse bei sideshorewind sahen ungefähr so aus:
- einmal losfahren nach links
- einmal losfahren nach rechts
- einmal durch die ganze Kitezone zurück laufen
- einmal losfahren nach links
- …….
Dank dieses wunderbaren Kiteboards konnte ich plötzlich Höhefahren und hab es dann zwei Jahre nicht mehr aus der Hand gegeben. Ich bin damit sogar in 1 Meter hohen Mittelmeerwellen gefahren. Man kann es sich bestimmt auch leichter machen, aber nun ja:
Viel hilft viel!
Und es ist an der Zeit mir mal darüber Gedanken zu machen, welches Kiteboard denn wirklich zu mir passt.
Welches Kiteboard ist denn nun das richtige?
An dieser Stelle wendet man sich am Besten an Menschen, die es wissen sollten. Im Internet finde ich überraschenderweise keine befriedigende Antwort. Es hängt nicht nur von meinem Gewicht, meiner Körpergröße und der passenden Kitegröße zum Wind ab, sondern es kommt auch auf meinen Fahrstil an.
Freeriding, Freestyle, Wave, Race – je nachdem was ich da so auf dem Wasser veranstalten will, muss das passende Kiteboard her.
Auch die Spotbedingungen sind ausschlaggebend: Kite ich in einer Leichtwind- oder in einer Starkwindregion, gibt es viele Wellen oder ist das Wasser glatt wie ein Ententeich.
Lernen von den Profis
Nun ist es aber so, dass alle Kiter, die ich kenne, keine 5 Kiteboard im Gepäck haben, sondern fröhlich mit zwei bis drei Kiteboard durchs Kiterleben kommen. Das will ich auch!
Und ich will qualifizierte Antworten. Keine vermeintlich klugen Ratschläge von Menschen, die nur so tun als würden sie es wissen.
Nun war ich nicht der umgänglichste Schüler und habe meinen Kitelehrer mit Widerworten in den Wahnsinn getrieben. Noch Jahre nach meiner letzten Kitestunde habe ich ihn am Strand gefragt, welche Kitegröße ich nehmen soll und dann grundsätzlich eine Nummer größer aufgebaut, nur um dann auf dem Wasser festzustellen, dass der echt ein bisschen zuviel Druck hat. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Kitelehrer entschuldigen: Es tut mir leid, du hast Recht gehabt! Immer.
Jetzt wo das endlich mal gesagt wurde, machte ich mich auf den Weg, um Menschen zu fragen, die es wissen müssen.
Welches Kiteboard ist das beste für mich?
Wie gut, dass am Strand so viele schon mit Kiten fertig sind oder eine Pause einlegen. In gemütlicher Runde leite ich eine qualitative Fragerunde ein, wozu hab ich denn studiert. Eine qualitative Fragerunde geht ganz einfach: Stell ne doofe Frage, zu der jeder, aber auch jeder eine Meinung hat und schreib fleißig mit. Die erste Antwort haut mich um:
Das Board muss passend zum Neo aussehen. Optik ist sehr wichtig, da sind sich alle einig. Ob das ernst gemeint ist? Ich frage nach. Holzoptik ginge auch – zur Not.
Tom lässt sich dazu hinreißen mir dann doch eine Antwort zu geben, mit der ich etwas anfangen kann. So berichtet er mir, dass er mehrere Boards hatte und beim Ausprobieren festgestellt hat, was für ihn wichtig ist. So hat er sich dann ein Board gekauft, dass mehr Flexibilität hat, damit die Landung nach dem Sprung weicher für die Knie ist. Wichtig war ihm auch ein guter Shape und das es gut aussieht. Vielleicht ist das mit der Optik doch nicht so unwichtig und albern gemeint gewesen.
Das Board als Modeaccessoire
Da springt Vio auf und erinnert uns an ihre letzte Suchaktion nach ihrem Board im Meer. Ergebnis war, dass sie danach ihre Finnen in Neon-Gelb lackiert hat. Ja, da sind sich alle einig, Boards sollte man in den Wellen sehen können. Ein Kinderschwimmflügel am Griff tut´s auch, wirft Meinhard ein. Die allgemeine Ästhetik schüttelt sich. Meinhard ist es egal. Er findet sein Board jedenfalls immer gleich.
Dass ein Board einen Griff braucht, sei zwar unter den selbst ernannten Pros als uncool abgestempelt, aber wird unter den Teilnehmern meiner Fragerunde als dringend notwendig erachtet. Und wer will schon mit selbsternannten Pros abhängen? Eben.
Ein wichtiger Faktor kommt noch hinzu. Wer schon mal im Meer fröhlich vor sich hingetrieben ist und darauf hoffte, dass ihm ein anderer Kiter sein Board bringt, weiss wie frustrierend es ist, wenn kein Griff am Board ist und der hilfsbereite Kiter bei aller Liebe versucht das Board zu greifen und nur hilflos die Achseln zucken kann….
Vor ein 5-6 Jahren war es total cool ein kleines Board zu haben, weiss Tom. Aber um mit einer Körpergröße von 1,90m ein 129er Board zu fahren, dafür war Tom dann doch zu uncool äh spassorientiert 😉 Davon sei man aber wieder abgekommen. Was ein Glück. Noch uncooler als wir heute schon sind, geht’s ja auch kaum. Aber wenigstens passen kleine Boards mit aufs Fahrrad und schleifen nicht am Rad.
Eigenschaften eines Boards
Tom legt nach:
Bei viel Wind kommt es auf die Drehfreudigkeit des Boards an. Und bei wenig Wind kommt es drauf an, dass es leicht angleitet.
Na das hört sich doch schon mal sehr gut an. Ja, und die Höhelauf-Eigenschaft sei wichtig. Die Kantenlänge und die Durchbiegung sagen was darüber aus, ob man gut Höhe fahren kann. Umso mehr Aufbiegung das Board hat, umso schwieriger kann man Höhe fahren. Und Höhefahren will ich auf jeden Fall! Höhelaufen hab ich schon genug gemacht – und zwar quer durch den ganzen Spot. Den walk-of-shame kennt ja wohl jeder, wenn auch nur vom Hörensagen.
Fly me to the moon
Weiter geht´s: Beim Springen sei es gut, wenn das Board breiter ist, weil es dann eine größere Fläche hat, auf der man landet. Das ist gut fürs Gleichgewicht halten. Mit der Flexibilität wissen wir ja bereits. Also wer seinen Meniskus noch ein wenig länger behalten will, sollte sich ein flexibles Board kaufen, will er denn oft Springen.
Probieren geht über studieren
Es hilft alles nix. Das Beste ist es, Boards einfach auszuprobieren und zu schauen, womit man gut zurecht kommt. Der beste Tipp kommt zum Schluss von Christoph: „Ey, ich kenn da eine, die Kristin, die ist genau so groß und schwer wie du und die fährt auch am liebsten hin und her. Die hat ein neues Board und damit ist sie super happy, frag sie doch mal, ob du ihr Board mal Probe fahren kannst.
Das werde ich machen. Hoffentlich hat das Board eine schöne Farbe 😉